| Handball
Ende einer denkwürdigen Bundesliga-Saison
Die Saison 2018/19 der Handball-Elfen wird ganz gewiss einen besonderen Platz in der Sporthistorie des Vereins einnehmen.
Nach 26 Spieltagen haben die Werkselfen Platz fünf erreicht, was womöglich sogar für einen internationalen Startplatz reichen könnte (wie berichteten). 26 Spieltage, die in der Zusammenfassung als so etwas wie eine Achterbahnfahrt beschrieben werden könnten. 26 Spieltage, von denen gerade einmal drei (!) in bestmöglicher Formation bestritten werden konnten.
Da gibt es Fußball-Bundesligisten, die jammern rum, wenn aus ihrem 31-köpfigen Kader drei Leutchen wegen Schnupfen ausfallen... Aber im Ernst: Eine Saison, die durchgehend von dermaßen vielen verletzungs- und krankheitsbedingten Ausfällen begleitet war, ist zumindest in Leverkusen niemandem in Erinnerung. “Natürlich gab es in all den Jahren, in denen ich als Spielerin oder Trainerin für den TSV Bayer 04 aktiv war, immer mal wieder Phasen, in denen mehrere Spielerinnen ausfielen. Aber in diesem Ausmaß habe ich das noch nie erlebt”, räumt Renate Wolf, Geschäftsführerin der Handballabteilung ein. Und auch Robert Nijdam, der sie im vergangenen Sommer als Coach der Bundesligamannschaft ablöste, kam schnell ins Grübeln: “So eine Verletzungsmisere habe ich noch nicht erlebt.” Und das sagte der Niederländer noch bevor der Höhepunkt an physischen Ausfällen erreicht war.
Kaum zu glauben, dass es am Ende tatsächlich noch der fünfte Platz wurde... Und über den darf man sich nun durchaus freuen, auch wenn man dabei im Hinterkopf hat, dass gewiss mehr drin gewesen wäre. “Mehr” bedeutet in diesem Fall: Platz vier. Den verspielten die Elfen durch Niederlagen gegen Teams aus den unteren Tabellenbereichen, die man sich noch heute kaum erklären kann. Aber das war eben auch Teil der Achterbahnfahrt. “Und es war Teil der Entwicklung dieser jungen Mannschaft, der hier niemand irgendwie böse ist oder war. Bei allem muss man sich die widrigen Umstände vor Augen halten”, so Wolf. Zu jenen Umständen gehörte auch, dass phasenweise kaum vernünftig trainiert werden konnte, weil es an gesundem Personal mangelte. Schnell war klar, dass Jenny Karolius, immerhin Ex-Nationalspielerin und Führungspersönlichkeit, aufgrund einer schweren Schulterverletzung nicht wieder aktiv würde einsteigen können. Es folgte der Kreuzbandriss bei Naina Klein, die gerade dabei war, das Erstliganiveau in Training und Spiel anzunehmen. Ende November dann der nächste Schock: Auch Teamcaptain Anna Seidel erlitt eine Kreuzbandruptur im Training. Die bis dahin effektivste und torgefährlichste Spielerin der Elfen brach somit weg. Dann musste Mia Zschocke, die ebenso wie Amelie Berger zwischenzeitlich an der EM teilgenommen hatte, wochenlang wegen eine Mandelentzündung passen.
Kurz darauf steckten die Elfen auch das Pokal-Aus in Halle-Neustadt weg, als 15 Treffer von Jennifer “Jeje” Rode nicht reichten. Wichtige Säulen wie Mia Zschocke oder Anna Seidel setzten in der Zwischenzeit Zeichen, indem sie ihre Verträge verlängerten. Amelie Berger indes gab Ende Januar ihren Wechsel nach Bietigheim bekannt – und fand fortan nicht mehr zu jener starken Form, die sie zur Nationalspielerin hatte werden lassen. Verletzte und Erkrankte gaben sich nun sozusagen die Klinke in die Hand, immer wieder fielen Stammkräfte aus, Nele Kurzke, Sally Potocki, Zivile Jurgutyte, Jeje Rode oder auch Aimée von Pereira und Amelie Berger. Und als sollte es das Schlusskapitel eines fragwürdigen Romans sein, zog sich Jennifer Kämpf im letzten Saisonspiel gegen Neckarsulm ebenfalls einen Kreuzbandriss zu. Bad Karma? Immer wieder gab es Rückschläge – in den verschiedensten Formen – und immer wieder rafften sich die Elfen danach direkt auf. Es gab natürlich schwache Leistungen, aber es gab eben auch ganz starke Vorstellungen, wie beispielsweise beim Sieg über Metzingen. Ihr Potenzial stellte das junge Elfen-Team immer wieder unter Beweis – mit Spielerinnen auf Positionen, auf denen sie zuvor noch nie oder höchst selten gewirkt hatten. Und die Einstellung, die hat immer gestimmt. Oder wie meinte Anna Seidel mal? “Du kannst immer mal hinfallen, aber du darfst nie liegen bleiben.” Oder Robert Nijdam: “Über die Einstellung meiner Spielerinnen mache ich mir die wenigsten Sorgen.”
Amelie Berger, Sally Potocki und Kim Berndt verlassen uns nun, ebenso Aimée von Pereira, die noch mit den Juniorelfen Deutscher A-Jugend-Meister werden kann. Jenny Karolius wechselt die Seiten und übernimmt die Bayer 04-B-Jugend. Ein neues Gesicht wird bald zu uns kommen, ein Gesicht, das jedoch viele kennen werden, beispielsweise aus ihrer Zeit als Nationalspielerin: Svenja Huber kommt aus Dortmund. Altbekannte Gesichter kommen zurück, denn Prudence Kinlend und Pia Adams haben bekanntlich eine Elfen-Vergangenheit. Talentierte A-Jugendliche liegen darüber hinaus auf der Lauer. Einen großen Umbruch wird es nun also nicht geben. Nach einer kurzen Verschnaufpause werden dann neue Kapitel geschrieben, vielleicht sogar auf europäischen Bühnen. Nur ein Kapitel möchte dann doch niemand mehr lesen: Das über irgendwelche Verletzungen...
Frank Graf
Mehr aus dem Bereich Handball lesen.